St. Hubertus - Leben und Legende
Hubertus ist einer jener Heiligengestalten, deren Leben und Wirken fast völlig von der Legende überdeckt wird. Kaum jemand denkt bei der Nennung seines Namens daran, dass dieser Hubertus als Bischof von Maastricht und Lüttich sehr viel für die Christianisierung getan hat. Hauptsächlich als Missionar der Ardennen hat er sich die Verehrung als Heiliger erworben. Der mächtige Hirsch, der zwischen dein Geweih ein strahlendes Kreuz trägt, und davor der kniende Jäger Hubemus! Diese Szene, die jeder kennt, hat sich vornehmlich im Gedächtnis der Menschen eingeprägt und wird heute überwiegend zur Darstellung des Heiligen genutzt.
Hubertus wurde um das Jahr 655 als erster Sohn des Herzoges Bertrand von Toulouse in Aquitanien geboren. Schon mit 20 Jahren wurde er Pfalzgraf Theodorichs des III von Burgund. Seine strenge, unparteiische Rechtspflege zog ihm jedoch die Feindschaft des gewalttätigen Hausmeiers Eborin zu, der durch ein listiges Ränkespiel den Nebenbuhler vom Hofe drängte. Um sein Leben zu retten floh Hubemus zu seinem mächtigen Onkel Pippin (der Mittlere) von Heristal, dem mächtigen Beherrscher Austrasiens, des östlichen Teils des Fränkischen Reichs. Als Edelmann im Waffenhandwerk ausgebildet, leistete Hubertus seinem Onkel beim Sieg über Theodorich in der Schlacht von Tertry 687 glückliche Waffenhilfe. Nach der Schlacht einigte Pippin als Hausmeier das Frankenreich und sicherte damit dem Geschlecht der Karolinger, dem Karl der Große entstammte, den Aufstieg. Als Dank für seine Dienste wurde Hubertus mit der Würde des obersten Palastbeamten und mit der Hand der Grafentochter Floribana von Löwen belohnt. In Tervueren genossen beide ihr junges Glück. Doch schon bald starb Floribana bei der Geburt ihres ersten Sohnes.
Vom Schmerz über diesen Verlust gebrochen suchte Hubertus Trost und Ablenkung von seinem Leid in den nahegelegenen Wäldern der Ardennen. Am Karfreitag soll sich der Legende nach die uns allen bekannte Szene abgespielt haben, die dem Leben des Hubertus eine entscheidende Wende gab und ihn mahnte, über den Dingen dieser Welt nicht das jenseitige des Menschendaseins zu vergessen. So habe er an diesem Freitag gejagt und dabei einen Hirsch verfolgt, der besonders groß war und ein mächtiges, gut geformtes Geweih auf dem Kopf trug. Als er ihn schließlich mit Hilfe seiner Hundemeute gestellt hatte und sich anschickte, ihn zu erlegen, erblickte er plötzlich zwischen den Geweihstangen des Hirsches ein leuchtendes Kreuz und in der Gestalt des Hirsches sprach Christus zu ihm: Hubertus, warum verfolgst du mich? Hubertus stieg vom Pferd und kniete vor dem Hirsch nieder und vollzog eine tiefgreifende Läuterung. Fortan hatte er nur noch ein Ziel, Gott und den Menschen zu dienen. Bei seiner Begegnung mit dem Hirsch wurde er nämlich vor die Wahl gestellt, entweder tötet er das Tier - dann tötet er Christus - oder er tut dies nicht und bekennt sich zu Christus. Oder mit den Worten aus Matthaus 25, 40 gesprochen: “Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan”.
Die Legende wurde erst im 15. Jahrhundert vom Heiligen Eustachius, der als römischer Offizier mit seiner Frau und zwei Söhnen im Jahr 118 unter Kaiser Hadrian den Mätyrertod fand, auf Hubertus übertragen. Es gab eine Kapelle des Hl. Eustachius, der schon vor Hubertus als Schutzpatron der Jäger verehrt wurde. Diese Verehrungsstätte wurde später dem Bischof Hubertus umgewidmet, Eustachius daraufhin geriet in Vergessenheit. Man kann sicherlich davon ausgehen, dass Hubertus durch den frühen Tod seiner Frau veranlasst wurde, alle seine Ãmter nieder zulegen, auf sein Herzogtum zu verzichten, sein Vermögen unter die Kirche und den Armen zu verteilen und sich dem Priesterstand zuzuwenden.
Er ging nach Maastricht und wurde Schüler von Bischof Lambert, der ihn auch zum Priester weihte. In der Folgezeit wirkte Hubertus als Missionar in Brabant und den Ardennen. In der Bevölkerung trug er schon bald den Namen “Apostel der Ardennen ". Eine Reise zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus führte Hubertus nach Rom. Dort erreichte ihn die Nachricht von der Ermordung seines väterlichen Freundes, des Bischofs Lambert in Lüttich. Papst Sergius I. weissagte ihm auf Grund eines Traumgesichts, das er Lamberts Nachfolger sein würde. Zurück in seiner Heimat wurde Hubertus vom Klerus und Volk der Tongerer Diözese ordnungsgemäß zum Bischof gewählt. Die Weihe zu diesem Amt empfing er vom Bischof Giso. Das Datum der Bischofsweihe ist nicht überliefert, es dürfte jedoch um das Jahr 700 gewesen sein. Die Gebeine des Lambert ließ Hubertus nach Lüttich übertragen und errichtete an der Stelle, wo sein von ihm verehrter Lehrer ermordet worden war, eine Basilika. Für Lüttich, zu der Zeit ein kleines Dorf, war dies der Beginn eines starken und schnellen Wachstums zu einer bedeutenden Handelsmetropole und einem geistigen Zentrum am Ostrand der Ardennen. Hubertus ließ das schnell wachsende Lüttich mit Mauern umgeben, um es vor Überfällen zu schützen.
Die von ihm eingeführte strenge Preisordnung sorgte für gleichmäßigen Wohlstand und schützte vor wucherischer Ausbeutung. Heute würde man St. Hubertus auch als Ökonom und Verwaltungsfachmann bezeichnen. Von Lüttich aus verstärkte nun Hubertus die Missionstätigkeit in den Ardennen. Sein Onkel Pippin hatte ihm zum Dank für die von ihm vermittelte Aussöhnung mit seiner Gemahlin Plektrudis den Hof Amberloux bei Andain geschenkt. Hubertus gestaltete ihn nun zu einem Kloster der Augustinerchorherren um und machte ihn zum Mittelpunkt der Ardennenseelsorge. Eine Bittprozession durch die Flure vor Christi Himmelfahrt führte Hubertus ein. Die noch heute zu Beginn des Schützenfestes in Müschede durchgeführte Hubertusprozession findet hier ihren Ursprung. Gezeichnet von den Strapazen seiner langen Christianisierungsarbeit erkrankte Hubertus nach der Weihe einer Kirche in Heverle bei Löwen stark und musste auf dem Rückweg nach Lüttich in Tervueren das Krankenlager beziehen. Nach sechs Tagen erlag er am 30. Mai 727 seiner allgemeinen Erschöpfung. Mit 77 Jahren erreichte Hubertus ein für die damalige Lebenserwartung ungemein hohes Alter. Die Benediktiner aus Andage waren es, die im Jahre 825 die Gebeine des Hubertus in ihre Klosterkirche überführten. Danach setzte eine starke Pilgerbewegung ein, die bis weit in das westliche Europa reichte. Es war nur natürlich, dass die Stadt bald den Namen des Heiligen Hubertus annahm und heute offiziell Saint-Hubert heißt.
Obwohl Hubertus nicht durch die Kirche heiliggesprochen wurde, so wie wir das heute kennen, erwarb er sich durch sein Wirken und die tiefe Verehrung die Stellung als Heiliger. Dies war zu der Zeit auch gängige Praxis in der Kirche. Die erste amtliche Heiligsprechung fand erst 993 mit der Aufnahme des Bischofs Ulrich von Augsburg in das Verzeichnis der Heiligen statt. Die Klosterkirche, in der der heilige Hubertus nun begraben war, wurde im laufe der Jahrhunderte mehrfach um- und ausgebaut, bis letztendlich die prächtige gotische Basilika im brabantischen Stil entstand, wie wir sie heute sehen können. Der Ehrentitel Basilika wurde dieser Kirche im Jahr 1927 durch Papst Pius XI. aus Anlass des 1200jährigen Todestages des Hubertus verliehen. All die Jahrhunderte wurden Saint-Hubert vom Abt des Klosters mehr oder weniger unabhängig von weltlichem Einfluß regiert. Es war die Französische Revolution, die 1796 diesen Zustand mit Gewalt beendete. Die Revolutionäre plünderten Stadt und Kloster. Seit der Zeit gelten die Gebeine des Hubertus als verschollen, im Biographisch Bibliographischen Kirchenlexikon berichtet man auch, dass die Gebeine bei einem Hugenottenüberfall 1586 verbrannt worden sein sollen. Heute steht in der Basilika dem Hubertus zum Gedenken ein leerer Sarg, ein Geschenk des belgischen Königs Leopold 1. zur Verehrung des großen Heiligen. Nach Volksmund sollen sich die Gebeine des Hubertus doch noch im Kloster befinden, und zwar an einem geheimen Ort. Durch viele Umstände, Brandschatzungen und Plünderungen ist die ursprüngliche heilige Stätte jedoch verwüstet. Das kleine Ardennenstädtchen Saint-Hubert ist heute noch Mittelpunkt des Hubertuskults. Anfangs verehrte man den heiligen Hubertus als Missionar und Bischof.
Obwohl die Legende mit der Hirscherscheinung erst im 15. Jahrhundert auf ihn übertragen wurde, erwählte man den Heiligen bereits im 10. Jahrhundert zum Patron der Jäger. Als solcher ist er hauptsächlich in unserem Gedächtnis geblieben. Ab dem 15. Jahrhundert nahm die Hubertusverehrung noch einmal einen großen Aufschwung. Grund hierfür war die Stiftung des Hubertusritterordens im Jahr 1444 durch den Herzog Gerhard von Jülich als Dank für seinen Sieg über den Herzog von Geldern. Erst jetzt setzte eine vermehrte Gründung von Bruderschaften ein, die sich den heiligen Hubertus zum Namenspatron erwählten. Saint-Hubert ist heute nicht nur Ort der Verehrung des heiligen Hubertus. Außer den vielen Pilgerfahrten, insbesondere die der Bruderschaften aus vielen Ländern, gibt es verschiedene Jahrmärkte und historische Umzüge. Die Hubertusbruderschaft der Metzger, aus dem Mittelalter stammend, lädt jährlich zum letzten Sonntag im September die belgischen und ausländischen Mitglieder zur Verehrung des Patrons ein. Dieses Datum wurde zum Gedenken an die Überführung der Gebeine in das Kloster im Jahre 825 gewählt. Heute gibt es zwar keine Benediktiner mehr in Saint-Hubert, aber der Volksheilige erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit.
Viele Schützengesellschaften tragen seinen Namen. Als deren Patron rangiert er gleich nach Sebastian. Zu den Aufgaben des Bischofs Hubertus gehörte auch die Versorgung seines Sprengels in Zeiten der Not mit Getreide. Sodann kennt man Legenden und Berichte über Wunder. In diesen Kreis gehört der Bericht, er habe während einer Predigt einen Tollwutkranken geheilt. Der 3. November eines jeden Jahres ist der Höhepunkt aller Wallfahrten und Verehrungen. Hubertus gehört zu den vier heiligen Marschällen, in manchen Gegenden wird er auch zu den 14 Nothelfern gezählt. Er gilt als Patron der Ardennen, der Jäger, Schützen, Kürschner, Gießer, Metallarbeiter, Drechsler, Metzger, Optiker, Fabrikanten mathematischer Geräte, Schellenmacher, der Jagdhunde, gegen Tollwut der Hunde, Hunde- und Schlangenbiss, bei Wasserscheu.
Aus mehreren Geschichten zusammengestellt von Frank Schmitz (ehem. Hub. Major des BSV Neukirchen)